Die Zöglinge des Holger'schen Pensionats, acht rosige Mädchen von vierzehn bis siebzehn Jahren, saßen eifrig plaudernd beim nachmittäglichen Kaffee. Die Vorsteherin, Fräulein Adelgunde Holger, hielt sich seit gestern behufs der Abwickelung wichtiger Geschäftsangelegenheiten in der benachbarten Residenz auf. Miß Jobbington, die englische Lehrerin, litt wieder einmal an ihrer schrecklichen Migräne. So kam es, daß die jungen Damen ausnahmsweise sich selbst überlassen waren, ein Umstand, der indeß nach der Ansicht der liberal gesinnten britischen Dulderin wenig zu besagen hatte, da innerhalb des Pensionsgebäudes keinerlei Gefahr drohte, und Josephine, die älteste der Elevinnen, eine Art mütterlicher Autorität ausübte, vermöge deren sie die abwesende Beschützerin ganz befriedigend ersetzen konnte. Josephine war nämlich verlobt, wirklich und anerkanntermaßen verlobt. Von einer Braut erwartet man mit Recht eine gewisse Haltung. Auch entehrt es kein Mädchen, dessen Herz und Hand noch frei ist, sich der höheren Würde einer Braut unterzuordnen.
Josephine, Eulalie, Rosa, Martha, Iduna, Laurentia, Asta und Virginie saßen also in reizender Gruppirung beim Kaffee, als die greise Wirthschafterin auf der Schwelle erschien und die überraschende Mittheilung machte, ein junger, vornehmer Herr wünsche dringend die Vorsteherin des Pensionats zu sprechen.
Die Mädchen wechselten Blicke der Rathlosigkeit und der Neugierde.
»Was soll ich sagen?« fragte die alte Barbara, indem sie mit der Rechten die derangirte Schürze glättete.
»Gehen Sie zu Miß Jobbington!« sagte Josephine.
»Das englische Fräulein hat sich eingeriegelt; sie will mit keiner Seele zu thun haben«, versetzte die Wirthschafterin.
»So sagen Sie, es sei Niemand zu Hause«, rief die schwarzlockige Asta mit lebhafter Stimme.
»Wie unhöflich!« bemerkte die aristokratische Virginie. »Der Herr hat doch bereits gehört, daß Barbara mit uns unterhandelt.«
»Er kann ja immerhin hereinspazieren, und sagen, was er will«, bemerkte Rosa.
»Aber wenn es Angelegenheiten betrifft, die … die man nicht vor aller Welt auskramen mag?« flüsterte die aschblonde Laurentia erröthend.