Donna Isabella, Fürstin von Messina.
Don Manuel und Don Cesar, ihre Söhne.
Beatrice.
Diego.
Boten.
Chor, bestehend aus dem Gefolge der Brüder.
Die Ältesten von Messina, reden nicht.
Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie
1. Aufzug 2. Aufzug 3. Aufzug 4. Aufzug
Die Scene ist eine geräumige Säulenhalle, auf beiden Seiten sind Eingänge, eine große Flügelthüre in der Tiefe führt zu einer Kapelle.
Donna Isabella in tiefer Trauer, die Ältesten von Messina stehen um sie her.
Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Trieb,
Tret' ich, ihr greisen Häupter dieser Stadt,
Heraus zu euch aus den verschwiegenen
Gemächern meines Frauensaals, das Antlitz
Vor euren Männerblicken zu entschleiern.
Denn es geziemt der Wittwe, die den Gatten
Verloren, ihres Lebens Licht und Ruhm,
Die schwarz umflorte Nachtgestalt dem Aug
Der Welt in stillen Mauern zu verbergen;
Doch unerbittlich allgewaltig treibt
Des Augenblicks Gebieterstimme mich
An das entwohnte Licht der Welt hervor.
Nicht zweimal hat der Mond die Lichtgestalt
Erneut, seit ich den fürstlichen Gemahl
Zu seiner letzten Ruhestätte trug,
Der mächtigwaltend dieser Stadt gebot,
Mit starkem Arme gegen eine Welt
Euch schützend, die euch feindlich rings umlagert.
Er selber ist dahin, doch lebt sein Geist
In einem tapfern Heldenpaare fort
Glorreicher Söhne, dieses Landes Stolz.
Ihr habt sie unter euch in freud'ger Kraft
Aufwachsen sehen, doch mit ihnen wuchs
Aus unbekannt verhängnißvollem Samen
Auch ein unsel'ger Bruderhaß empor,
Der Kindheit frohe Einigkeit zerreißend,
Und reifte furchtbar mit dem Ernst der Jahre.
Nie hab' ich ihrer Eintracht mich erfreut;
An diesen Brüsten nährt' ich beide gleich,
Gleich unter sie vertheil' ich Lieb' und Sorge,
Und beide weiß ich kindlich mir geneigt.
In diesem einz'gen Triebe sind sie Eins,
In allem Andern trennt sie blut'ger Streit.
Zwar, weil der Vater noch gefürchtet herrschte,
Hielt er durch gleiche Strenge furchtbare
Gerechtigkeit die Heftigbrausenden im Zügel,
Und unter eines Joches Eisenschwere
Bog er vereinend ihren starren Sinn.
Nicht waffentragend durften sie sich nahn,
Nicht in denselben Mauern übernachten.
So hemmt' er zwar mit strengem Machtgebot
Den rohen Ausbruch ihres wilden Triebs;
Doch ungebessert in der tiefen Brust
Ließ er den Haß – der Starke achtet es
Gering, die leise Quelle zu verstopfen,
Weil er dem Strome mächtig wehren kann.
Was kommen mußte, kam. Als er die Augen
Im Tode schloß und seine starke Hand
Sie nicht mehr bändigt, bricht der alte Groll
Gleichwie des Feuers eingepreßte Gluth,
Zur offnen Flamme sich entzündend, los.
Ich sag' euch, was ihr Alle selbst bezeugt:
Messina theilte sich, die Bruderfehde
Löst' alle heil'gen Bande der Natur,
Dem allgemeinen Streit die Losung gebend,
Schwert traf auf Schwert, zum Schlachtfeld ward die Stadt.
Ja, diese Hallen selbst bespritzte Blut.
Des Staates Bande sahet ihr zerreißen,
Doch mir zerriß im Innersten das Herz —
Ihr fühltet nur das öffentliche Leiden
Und fragtet wenig nach der Mutter Schmerz.
Ihr kamt zu mir und spracht dies harte Wort:
"Du siehst, daß deiner Söhne Bruderzwist
"Die Stadt empört in bürgerlichem Streit,
"Die, von dem bösen Nachbarn rings umgarnt,
"Durch Eintracht nur dem Feinde widersteht.
" – Du bist die Mutter! Wohl, so siehe zu,
"Wie du der Söhne blut'gen Hader stillst.
"Was kümmert uns, die Friedlichen, der Zank
"Der Herrscher? Sollen wir zu Grunde gehn,
"Weil deine Söhne wüthend sich befehden?
"Wir wollen uns selbst rathen ohne sie
"Und einem andern Herrn uns übergeben,
"Der unser Bestes will und schaffen kann!"
So spracht ihr rauhen Männer, mitleidlos
Für euch nur sorgend und für eure Stadt,
Und wälztet noch die öffentliche Noth
Auf dieses Herz, das von der Mutter Angst
Und Sorgen schwer genug belastet war.
Ich unternahm das nicht zu Hoffende,
Ich warf mit dem zerrißnen Mutterherzen
Mich zwischen die Ergrimmten, Frieden rufend —
Unabgeschreckt, geschäftig, unermüdlich
Beschickt' ich sie, den Einen um den Andern,
Bis ich erhielt durch mütterliches Flehn,
Das sie's zufrieden sind, in dieser Stadt
Messina, in dem väterlichen Schloß
Unfeindlich sich von Angesicht zu sehn,
Was nie geschah, seitdem der Fürst verschied.
Dies ist der Tag! Des Boten harr' ich stündlich,
Der mir die Kunde bringt von ihrem Anzug.
– Seid denn bereit, die Herrscher zu empfangen
Mit Ehrfurcht, wie's dem Unterthanen ziemt.
Nur eure Pflicht zu leisten seid bedacht,
Für's Andre laßt uns Andere gewähren.
Verderblich diesem Land und ihnen selbst
Verderbenbringend war der Söhne Streit;
Versöhnt, vereinigt, sind sie mächtig gnug,
Euch zu beschützen gegen eine Welt
Und Recht sich zu verschaffen – gegen euch!
(Die Ältesten entfernen sich schweigend, die Hand auf der Brust.
Sie winkt einem alten Diener, der zurückbleibt.)
Isabella. Diego.
Diego!
Was gebietet meine Fürstin?
Bewährter Diener! Redlich Herz! Tritt näher!
Mein Leiden hast du, meinen Schmerz getheilt,
So theil' auch jetzt das Glück der Glücklichen.
Verpfändet hab' ich deiner treuen Brust
Mein schmerzlich süßes, heiliges Geheimniß.
Der Augenblick ist da, wo es ans Licht
Des Tages soll hervorgezogen werden.
Zu lange schon erstickt' ich der Natur
Gewalt'ge Regung, weil noch über mich
Ein fremder Wille herrisch waltete.
Jetzt darf sich ihre Stimme frei erheben,
Noch heute soll dies Herz befriedigt sein,
Und dieses Haus, das lang verödet war,
Versammle Alles, was mir theuer ist.
So lenke denn die alterschweren Tritte
Nach jenem wohlbekannten Kloster hin,
Das einen theuren Schatz mir aufbewahrt.
Du warst es, treue Seele, der ihn mir
Dorthin geflüchtet hat auf beßre Tage,
Den traur'gen Dienst der Traurigen erzeigend.
Du bringe fröhlich jetzt der Glücklichen
Das theure Pfand zurück.
(Man hört in der Ferne blasen.)
O eile, eile
Und laß die Freude deinen Schritt verjüngen!
Ich höre kriegerischer Hörner Schall,
Der meiner Söhne Einzug mir verkündigt.
(Diego geht ab. Die Musik läßt sich noch von einer entgegengesetzten
Seite immer näher und näher hören.)
Erregt ist ganz Messina – Horch! ein Strom
Verworrner Stimmen wälzt sich brausend her —
Sie sind's! Das Herz der Mutter, mächtig schlagend,
Empfindet ihrer Nähe Kraft und Zug.
Sie sind's! O meine Kinder, meine Kinder! (Sie eilt hinaus.)
Chor tritt auf.
Er besteht aus zwei Halbchören, welche zu gleicher Zeit, von zwei entgegengesetzten Seiten, der eine aus der Tiefe, der andere aus dem Vordergrund eintreten, rund um die Bühne gehen und sich alsdann auf derselben Seite, wo jeder eingetreten, in eine Reihe stellen. Den einen Halbchor bilden die ältern, den andern die jüngern Ritter; beide sind durch Farbe und Abzeichen verschieden. Wenn beide Chöre einander gegenüber stehen, schweigt der Marsch, und die beiden Chorführer reden.2
Dich begrüß' ich in Ehrfurcht,
Prangende Halle,
Dich, meiner Herrscher
Fürstliche Wiege,
Säulengetragenes herrliches Dach.
Tief in der Scheide
Ruhe das Schwert,
Vor den Thoren gefesselt
Liege des Streits schlangenhaarigtes Scheusal.
Denn des gastlichen Hauses
Unverletzliche Schwelle
Hütet der Eid, der Erinyen Sohn,
Der furchtbarste unter den Göttern der Hölle!
Zürnend ergrimmt mir das Herz im Busen,
Zu dem Kampf ist die Faust geballt,
Denn ich sehe das Haupt der Medusen,
Meines Feindes verhaßte Gestalt.
Kaum gebiet' ich dem kochenden Blute.
Gönn' ich ihm die Ehre des Worts?
Oder gehorch' ich dem zürnenden Muthe?
Aber mich schreckt die Eumenide,
Die Beschirmerin dieses Orts,
Und der waltende Gottesfriede.
Weisere Fassung
Ziemet dem Alter,
Ich, der Vernünftige, grüße zuerst. (Zu dem zweiten Chor.)
Sei mir willkommen,
Der du mit mir
Gleiche Gefühle
Brüderlich theilend,
Dieses Palastes
Schützende Götter
Fürchtend verehrst!
Weil sich die Fürsten gütlich besprechen,
Wollen auch wir jetzt Worte des Friedens
Harmlos wechseln mit ruhigem Blut,
Denn auch das Wort ist, das heilende, gut.
Aber treff' ich dich draußen im Freien,
Da mag der blutige Kampf sich erneuen,
Da erprobe das Eisen den Muth.
Aber treff ich dich draußen im Freien,
Da mag der blutige Kampf sich erneuen,
Da erprobe das Eisen den Muth.
Dich nicht hass' ich! Nicht du bist mein Feind!
Eine Stadt ja hat uns geboren,
Jene sind ein fremdes Geschlecht.
Aber wenn sich die Fürsten befehden,
Müssen die Diener sich morden und tödten,
Das ist die Ordnung, so will es das Recht.
Mögen sie's wissen,
Warum sie sich blutig
Hassend bekämpfen! Mich ficht es nicht an.
Aber wir fechten ihre Schlachten;
Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann,
Der den Gebieter läßt verachten.
Aber wir fechten ihre Schlachten;
Der ist kein Tapfrer, kein Ehrenmann,
Der den Gebieter läßt verachten.
Hört, was ich bei mir selbst erwogen,
Als ich müßig daher gezogen,
Durch des Korus hochwallende Gassen,
Meinen Gedanken überlassen.
Wir haben uns in des Kampfes Wuth
Nicht besonnen und nicht berathen,
Denn uns bethörte das brausende Blut.
Sind sie nicht unser, diese Saaten?
Diese Ulmen, mit Reben umsponnen,
Sind sie nicht Kinder unsrer Sonnen?
Könnten wir nicht in frohem Genuß
Harmlos vergnügliche Tage spinnen,
Lustig das leichte Leben gewinnen?
Warum ziehn wir mit rasendem Beginnen
Unser Schwert für das fremde Geschlecht?
Es hat an diesem Boden kein Recht.
Auf dem Meerschiff ist es gekommen
Von der Sonne röthlichem Untergang;
Gastlich haben wir's aufgenommen
(Unsre Väter! Die Zeit ist lang),
Und jetzt sehen wir uns als Knechte,
Unterthan diesem fremden Geschlechte!
Wohl! Wir bewohnen ein glückliches Land,
Das die himmelumwandelnde Sonne
Ansieht mit immer freundlicher Helle,
Und wir können es fröhlich genießen;
Aber es läßt sich nicht sperren und schließen,
Und des Meers rings umgebende Welle,
Sie verräth uns dem kühnen Corsaren,
Die die Küste verwegen durchkreuzt.
Einen Segen haben wir zu bewahren,
Der das Schwert nur des Fremdlings reizt.
Sklaven sind wir in den eigenen Sitzen,
Das Land kann seine Kinder nicht schützen.
Nicht, wo die goldene Ceres lacht
Und der friedliche Pan, der Flurenbehüter,
Wo das Eisen wächst in der Berge Schacht,
Da entspringen der Erde Gebieter.
Ungleich vertheilt sind des Lebens Güter
Unter der Menschen flücht'gem Geschlecht;
Aber die Natur, sie ist ewig gerecht.
Uns verlieh sie das Mark und die Fülle,
Die sich immer erneuend erschafft,
Jenen ward der gewaltige Wille
Und die unzerbrechliche Kraft.
Mit der furchtbaren Stärke gerüstet,
Führen sie aus, was dem Herzen gelüstet,
Füllen die Erde mit mächtigem Schall;
Aber hinter den großen Höhen
Folgt auf der tiefe, der donnernde Fall.
Darum lob' ich mir niedrig zu stehen,
Mich verbergend in meiner Schwäche.
Jene gewaltigen Wetterbäche,
Aus des Hagels unendlichen Schlossen,
Aus den Wolkenbrüchen zusammen geflossen,
Kommen finster gerauscht und geschossen,
Reißen die Brücken und reißen die Dämme
Donnernd mit fort im Wogengeschwemme,
Nichts ist, das die Gewaltigen hemme.
Doch nur der Augenblick hat sie geboren,
Ihres Laufes furchtbare Spur
Geht verrinnend im Sande verloren,
Die Zerstörung verkündigt sie nur.
– Die fremden Eroberer kommen und gehen;
Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen.
Die hintere Thüre öffnet sich; Donna Isabella erscheint zwischen ihren Söhnen Don Manuel und Don Cesar.
Preis ihr und Ehre,
Die uns dort aufgeht,
Eine glänzende Sonne!
Knieend verehr' ich dein herrliches Haupt.
Schön ist des Mondes
Mildere Klarheit
Unter der Sterne blitzendem Glanz,
Schön ist der Mutter
Liebliche Hoheit
Zwischen der Söhne feuriger Kraft;
Nicht auf der Erden
Ist ihr Bild und ihr Gleichniß zu sehn.
Hoch auf des Lebens3
Gipfel gestellt,
Schließt sie blühend den Kreis des Schönen,
Mit der Mutter und ihren Söhnen
Krönt sich die herrlich vollendete Welt.
Selber die Kirche, die göttliche, stellt nicht
Schöneres dar auf dem himmlischen Thron;
Höheres bildet
Selber die Kunst nicht, die göttlich geborne,
Als die Mutter mit ihrem Sohne.
Freudig sieht sie aus ihrem Schooße
Einen blühenden Baum sich erheben,
Der sich ewig sprossend erneut.
Denn sie hat ein Geschlecht geboren,
Welches wandeln wird mit der Sonne
Und den Namen geben der rollenden Zeit.
(Roger.)
Völker verrauschen,
Namen verklingen,
Finstre Vergessenheit
Breitet die dunkelnachtenden Schwingen
Über ganzen Geschlechtern aus.
Aber der Fürsten
Einsame Häupter
Glänzen erhellt,
Und Aurora berührt sie
Mit den ewigen Strahlen
Als die ragenden Gipfel der Welt.
Blick' nieder, hohe Königin des Himmels,
Und halte deine Hand auf dieses Herz,
Daß es der Übermuth nicht schwellend hebe;
denn leicht vergäße sich der Mutter Freude,
Wenn sie sich spiegelt in der Söhne Glanz,
Zum Erstenmal, seitdem ich sie geboren,
Umfass' ich meines Glückes Fülle ganz.
Denn bis auf diesen Tag mußt' ich gewaltsam
Des Herzens fröhliche Ergießung theilen;
Vergessen ganz mußt' ich den einen Sohn,
Wenn ich der Nähe mich des andern freute.
O, meine Mutterliebe ist nur eine,
Und meine Söhne waren ewig zwei!
– Sagt, darf ich ohne Zittern mich der süßen
Gewalt des trunknen Herzens überlassen? (Zu Don Manuel.)
Wenn ich die Hand des Bruders freundlich drücke,
Stoß' ich den Stachen nicht in deine Brust? (Zu Don Cesar.)
Wenn ich das Herz an seinem Anblick weide,
Ist's nicht ein Raub an Dir? – O, ich muß zittern,
Daß meine Liebe selbst, die ich euch zeige,
Nur eures Hasses Flammen heft'ger schüre.
(Nachdem sie Beide fragend angesehen.)
Was darf ich mir von euch versprechen? Redet!
Mit welchem Herzen kamet ihr hieher?
Ist's noch der alte unversöhnte Haß,
Den ihr mit herbringt in des Vaters Haus,
Und wartet draußen vor des Schlosses Thoren
Der Krieg, auf Augenblicke nur gebändigt
Und knirschend in das eherne Gebiß,
Um alsobald, wenn ihr den Rücken mir
Gekehrt, mit neuer Wuth sich zu entfesseln?
Krieg oder Frieden! Noch liegen die Loose
Dunkel verhüllt in der Zukunft Schooße!
Doch es wird sich noch, eh wir uns trennen, entscheiden;
Wir sein bereit und gerüstet zu beiden.
Und welcher furchtbar kriegerische Anblick!
Was sollen Diese hier? Ist's eine Schlacht,
Die sich in diesen Sälen zubereitet?
Wozu die fremde Schaar, wenn eine Mutter
Das Herz aufschließen will vor ihren Kindern?
Bis in den Schooß der Mutter fürchtet ihr
Der Arglist Schlingen, tückischen Verrath,
Daß ihr den Rücken euch besorglich deckt?
– O diese wilden Banden, die euch folgen,
Die raschen Diener eures Zorns – sie sind
Nicht eure Freunde! Glaubet nimmermehr,
Daß sie euch wohlgesinnt zum Besten rathen!
Wie könnten sie's von Herzen mit euch meinen,
Den Fremdlingen, dem eingedrungnen Stamm,
Der aus dem eignen Erbe sie vertrieben,
Sich über die der Herrschaft angemaßt?
Glaubt mir! Es liebt ein Jeder, frei sich selbst
Zu leben nach dem eigenen Gesetz;
Die fremde Herrschaft wird mit Neid ertragen.
Von eurer Macht allein und ihrer Furcht
Erhaltet ihr den gern versagten Dienst.
Lernt dies Geschlecht, das herzlos falsche, kennen!
Die Schadenfreude ist's, wodurch sie sich
An eurem Glück, an eurer Größe rächen.
Der Herrscher Fall, der hohen Häupter Sturz
Ist ihrer Lieder Stoff und ihr Gespräch,
Was sich vom Sohn zum Enkel forterzählt,
Womit sie sich die Winternächte kürzen.
– O meine Söhne! Feindlich ist die Welt
Und falsch gesinnt! Es liebt ein Jeder nur
Sich selbst; unsicher, los und wandelbar
Sind alle Bande, die das leichte Glück
Geflochten – Laune löst, was Laune knüpft —
Nur die Natur ist redlich! Sie allein
Liegt an dem ew'gen Ankergrunde fest,
Wenn alles Andre auf den sturmbewegten Wellen
Des Lebens unstet treibt – Die Neigung gibt
Den Freund, es gibt der Vortheil den Gefährten;
Wohl Dem, dem die Geburt den Bruder gab!
Ihn kann das Glück nicht geben! Anerschaffen
Ist ihm der Freund, und gegen eine Welt
Voll Kriegs und Truges steht er zweifach da!
Ja, es ist etwas Großes, ich muß es verehren,
Um einer Herrscherin fürstlichen Sinn,
Über der Menschen Thun und Verkehren
Blickt sie mit ruhiger Klarheit hin.
Uns aber treibt das verworrene Streben
Blind und sinnlos durchs wüste Leben.
Du, der das Schwert auf seinen Bruder zückt,
Sieh dich umher in dieser ganzen Schaar,
Wo ist ein edler Bild als deines Bruders? (Zu Don Manuel.)
Wer unter Diesen, die du Freunde nennst,
Darf deinem Bruder sich zur Seite stellen?
Ein Jeder ist ein Muster seines Alters,
Und Keiner gleicht, und Keiner weicht dem Andern.
Wagt es, euch in das Angesicht zu sehn!
O Raserei der Eifersucht, des Neides!
Ihn würdest du aus Tausenden heraus
Zum Freunde dir gewählt, ihn an das Herz
Geschlossen haben als den Einzigen;
Und jetzt, da ihn die heilige Natur
Dir gab, dir in der Wiege schon ihn schenkte,
Trittst du, ein Frevler an dem eignen Blut,
Mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen,
Dich wegzuwerfen an den schlechtern Mann,
Dich an den Feind und Fremdling anzuschließen!
Höre mich, Mutter!
Mutter, höre mich!
Nicht Worte sind's, die diesen traur'gen Streit
Erledigen – Hier ist das Mein und Dein,
Die Rache von der Schuld nicht mehr zu sondern.
– Wer möchte noch das alte Bette finden
Des Schwefelstroms, der glühend sich ergoß?
Des unterird'schen Feuers schreckliche
Geburt ist Alles, eine Lavarinde
Liegt aufgeschichtet über dem Gesunden,
Und jeder Fußtritt wandelt auf Zerstörung.
– Nur dieses Eine leg' ich euch ans Herz:
Das Böse, das der Mann, der mündige,
Dem Manne zufügt, das, ich will es glauben,
Vergibt sich und versöhnt sich schwer. Der Mann
Will seinen Haß, und keine Zeit verändert
Den Rathschluß, den er wohl besonnen faßt.
Doch eures Haders Ursprung steigt hinauf
In unverständ'ger Kindheit frühe Zeit,
Sein Alter ist's, was ihn entwaffnen sollte.
Fragte zurück, was euch zuerst entzweite;
Ihr wißt es nicht, ja, fändet ihr's auch aus,
Ihr würdet auch des kind'schen Haders schämen.
Und dennoch ist's der erste Kinderstreit,
Der, fortgezeugt in unglücksel'ger Kette,
Die neuste Unbill dieses Tags geboren.
Denn alle schweren Thaten, die bis jetzt geschahn,
Sind nur des Argwohns und der Rache Kinder.
– Und jene Knabenfehde wolltet ihr
Nicht jetzt fortkämpfen, da ihr Männer seid? (Beider Hände fassend.)
O, meine Söhne! Kommt, entschließet euch,
Die Rechnung gegenseitig zu vertilgen,
Denn gleich auf beiden Seiten ist das Unrecht.
Seid edel, und großherzig schenkt einander
Die unabtragbar ungeheure Schuld.
Der Siege göttlichster ist das Vergeben!
In eueres Vaters Gruft werft ihn hinab,
Den alten Haß der frühen Kinderzeit!
Der schönen Liebe sei das neue Leben,
Der Eintracht, der Versöhnung sei's geweiht.
(Sie tritt einen Schritt zwischen beiden zurück, als wollte sie ihnen Raum geben, sich einander zu nähern. Beide blicken zur Erde, ohne einander anzusehen.)
Höret der Mutter vermahnende Rede,
Wahrlich, sie spricht ein gewichtiges Wort!
Laßt es genug sein und endet die Fehde,
Oder gefällt's euch, so setzet sie fort.
Was auch genehm ist, das ist mir gerecht,
Ihr seid die Herrscher, und ich bin der Knecht.
Jetzt weiß ich nichts mehr. Ausgeleert hab' ich
Der Worte Köcher und erschöpft der Bitten Kraft.
Im Grabe ruht, der euch gewaltsam bändigte,
Und machtlos steht die Mutter zwischen euch.
– Vollendet! Ihr habt freie Macht! Gehorcht
Dem Dämon, der euch sinnlos wüthend treibt,
Ehrt nicht des Hausgotts heiligen Altar,
Laßt diese Halle selbst, die euch geboren,
Den Schauplatz werden eines Wechselmords.
Vor eurer Mutter Aug zerstöret euch
Mit euren eignen, nicht durch fremde Hände.
Leib gegen Leib, wie das thebanische Paar,
Rückt auf einander an, und wuthvoll ringend,
Umfanget euch mit eherner Umarmung.
Leben um Leben tauschend siege Jeder,
Den Dolch einbohrend nicht des Andern Brust,
Daß selbst der Tod nicht eure Zwietracht heile,
Die Flamme selbst, des Feuers rothe Säule,
Die sich von eurem Scheiterhaufen hebt,
Sich zweigespalten von einander theile,
Ein schaudernd Bild, wie ihr gestorben und gelebt.
(Sie geht ab. Die Brüder bleiben noch in der vorigen Entfernung von einander stehen.)
Beide Brüder. Beide Chöre.
Es sind nur Worte, die sie gesprochen,
Aber sie haben den fröhlichen Muth
In der felsigten Brust mir gebrochen!
Ich nicht vergoß das verwandte Blut.
Nein zum Himmel erheb' ich die Hände:
Ihr seid Brüder! Bedenket das Ende!
Don Cesar (ohne Don Manuel anzusehen).
Du bist der ältre Bruder, rede du!
Dem Erstgebornen weich' ich ohne Schande.
Don Manuel (in derselben Stellung).
Sag' etwas Gutes, und ich folge gern
Dem edeln Beispiel, das der jüngre gibt.
Nicht, weil ich für den Schuldigeren mich
Erkenne oder schwächer gar mich fühle —
Nicht Kleinmuths zeiht Don Cesarn, wer ihn kennt,
Fühlt' er sich schwächer, würd' er stolzer reden.
Denkst du von deinem Bruder nicht geringer?
Don Manuel.
Du bist zu stolz zur Demuth, ich zur Lüge.
Verachtung nicht erträgt mein edles Herz.
Doch in des Kampfes heftigster Erbittrung
Gedachtest du mit Würde deines Bruders.
Du willst nicht meinen Tod, ich habe Proben.
Ein Mönch erbot sich dir, mich meuchlerisch
Zu morden; du bestraftest den Verräther.
Hätt' ich dich früher so gerecht erkannt,
Es wäre Vieles ungeschehn geblieben.
Und hätt' ich dir ein so versöhnlich Herz
Gewußt, viel Mühe spart' ich dann der Mutter.
Du wurdest mir viel stolzer abgeschildert.
Es ist der Fluch der Hohen, daß die Niedern
Sich ihres offnen Ohrs bemächtigen.
So ist's, die Diener tragen alle Schuld.
Die unser Herz in bitterm Haß entfremdet.
Die böse Worte hin und wieder trugen.
Mit falscher Deutung jede That vergiftet.
Die Wunde nährten, die sie heilen sollten.
Die Flamme schürten, die sie löschen konnten.
Wir waren die Verführer, die Betrogenen!
Das blinde Werkzeug fremder Leidenschaft!
Ist's wahr, daß alles Andre treulos ist —
Und falsch! Die Mutter sagt's, du darfst es glauben!
So will ich diese Bruderhand ergreifen —
(Er reicht ihm die Hand hin.)
Die mir die nächste ist auf dieser Welt.
(Beide stehen Hand in Hand und betrachten einander eine Zeitlang schweigend.)
Ich seh' dich an, und überrascht, erstaunt
Find' ich in dir der Mutter theure Züge.
Und eine Ähnlichkeit entdeckt sich mir
In dir, die mich noch wunderbarer rühret.
Bist du es wirklich, der dem jüngern Bruder
So hold begegnet und so gütig spricht?
Ist dieser freundlich sanftgesinnte Jüngling
Der übelwollend mir gehäß'ge Bruder?
(Wiederum Stillschweigen; Jeder steht in den Anblick des Andern verloren.)
Du nahmst die Pferde von arab'scher Zucht
In Anspruch aus dem Nachlaß unsers Vaters.
Den Rittern, die du schicktest, schlug ich's ab.
Sie sind dir lieb, ich denke nicht mehr dran.
Nein, nimm die Rosse, nimm den Wagen auch
Des Vaters, nimm sie, ich beschwöre dich!
Ich will es thun, wenn du das Schloß am Meere
Beziehen willst, um das wir heftig stritten.
Ich nehm' es nicht, doch bin ich's wohl zufrieden,
Daß wir's gemeinsam brüderlich bewohnen.
So sei's! Warum ausschließend Eigenthum
Besitzen, da die Herzen einig sind?
Warum noch länger abgesondert leben,
Da wir, vereinigt, jeder reicher werden?
Wir sind nicht mehr getrennt, wir sind vereinigt.
(Er eilt in seine Arme.)
Was stehen wir hier noch feindlich geschieden,
Da die Fürsten liebend sich umfassen?
Ihrem Beispiel folg' ich und biete dir Frieden,
Wollen wir einander denn ewig hassen?
Sind sie Brüder durch Blutes Bande,
Sind wir Bürger und Söhne von einem Lande.
(Beide Chöre umarmen sich.)
Ein Bote tritt auf.
Den Späher, den du ausgesendet, Herr,
Erblick' ich wiederkehrend. Freue dich,
Don Cesar! Gute Botschaft harret dein,
Denn fröhlich strahlt der Blick des Kommenden.
Heil mir und Heil der fluchbefreiten Stadt!
Des schönsten Anblicks wird mein Auge froh.
Die Söhne meines Herrn, die Fürsten seh' ich
In friedlichem Gespräche, Hand in Hand,
Die ich in heißer Kampfes Wuth verlassen.
Du siehst die Liebe aus des Hasses Flammen
Wie einen neu verjüngten Phönix steigen.
Ein zweites leg' ich zu dem ersten Glück!
Mein Botenstab ergrünt von frischen Zweiten!
Laß hören, was du bringst.
Ein einz'ger Tag
Will Alles, was erfreulich ist, versammeln.
Auch die Verlorene, nach der wir suchten,
Sie ist gefunden, Herr, sie ist nicht weit.
Sie ist gefunden! O, wo ist sie? Sprich!
Hier in Messina, Herr, verbirgt sie sich.
Von hoher Röthe Gluth seh' ich die Wangen
Des Bruders glänzen, und sein Auge blitzt.
Ich weiß nicht, was es ist; doch ist's die Farbe
Der Freude, und mitfreuend theil' ich sie.
Komm, führe mich! – Leb wohl, Don Manuel!
Im Arm der Mutter finden wir uns wieder;
Jetzt fordert mich ein dringend Werk von hier. (Er will gehen.)
Verschieb' es nicht. Das Glück begleite dich.
Don Manuel! Mehr, als ich sagen kann,
Freut mich dein Anblick – ja, mir ahnet schon,
Wir werden uns wie Herzensfreunde lieben,
Der langgebundne Trieb wird freud'ger nur
Und mächt'ger streben in der neuen Sonne.
Nachholen werd' ich das verlorne Leben.
Die Blüthe deutet auf die schöne Frucht.
Es ist nicht recht, ich fühl's und tadle mich,
Daß ich mich jetzt aus deinen Armen reiße.
Denk' nicht, ich fühle weniger, als du,
Weil ich die festlich schöne Stunde rasch zerschneide.
Gehorche du dem Augenblick! Der Liebe
Gehört von heute an das ganze Leben.
Entdeckt' ich dir, was mich von hinnen ruft —
Laß mir dein Herz! Dir bleibe dein Geheimniß.
Auch kein Geheimniß trenn' uns ferner mehr,
Bald soll die letzte dunkle Falte schwinden!
(Zu dem Chor gewendet.)
Euch künd' ich's an, damit ihr's Alle wisset!
Der Streit ist abgeschlossen zwischen mir
Und dem geliebten Bruder! Den erklär' ich
Für meinen Todfeind und Beleidiger
Und werd' ihn hassen wie der Hölle Pforten,
Der den erloschnen Funken unsers Streits
Aufbläst zu neuen Flammen – Hoffe Keiner
Mir zu gefallen oder Dank zu ernten,
Der von dem Bruder Böses mir berichtet,
Mit falscher Dienstbegier den bittern Pfeil
Des raschen Worts geschäftig weiter sendet.
– Nicht Wurzeln auf der Lippe schlägt das Wort,
Das unbedacht dem schnellen Zorn entflohen;
Doch, von dem Ohr des Argwohns aufgefangen,
Kriecht es wie Schlingkraut endlos treibend fort
Und hängt ans Herz sich an mit tausend Ästen:
So trennen endlich in Verworrenheit
Unheilbar sich die Guten und die Besten!
(Er umarmt den Bruder noch einmal und geht ab, von dem zweiten
Chor begleitet.)
Verwundrungsvoll, o Herr, betracht' ich dich,
Und fast muß ich dich heute ganz verkennen.
Mit karger Rede kaum erwiederst du
Des Bruders Liebesworte, der gutmeinend
Mit offnem Herzen dir entgegen kommt.
Versunken in dich selber stehst du da,
Gleich einem Träumenden, als wäre nur
Dein Leib zugegen, und die Seele fern.
Wer so dich sähe, möchte leicht der Kälte
Dich zeihn und stolz unfreundlichen Gemüths;
Ich aber will dich drum nicht fühllos schelten,
Denn heiter blickst du, wie ein Glücklicher
Um dich, und Lächeln spielt um deine Wangen.
Was soll ich sagen? was erwiedern? Mag
Der Bruder Worte finden! Ihn ergreift
Ein überraschend neu Gefühl; er sieht
Den alten Haß aus seinem Busen schwinden,
Und wundernd fühlt er sein verwandtes Herz.
Ich – habe keinen Haß mehr mitgebracht,
Kaum weiß ich noch, warum wir blutig stritten.
Denn über allen ird'schen Dingen hoch
Schwebt mir auf Freudenfittigen die Seele,
Und in dem Glanzesmeer, das mich umfängt,
Sind alle Wolken mir und finstre Falten
Des Lebens ausgeglättet und verschwunden.
– Ich sehe diese Hallen, diese Säle,
Und denke mir das freudige Erschrecken
Der überraschten, hoch erstaunten Braut,
Wenn ich als Fürstin sie und Herrscherin
Durch dieses Hauses Pforten führen werde.
– Noch liebt sie nur den Liebenden! Dem Fremdling,
Dem Namenlosen hat sie sich gegeben.
Nicht ahnet sie, daß es Don Manuel,
Messina's Fürst ist, der die goldne Binde
Ihr um die schöne Stirne flechten wird.
Wie süß ist's, das Geliebte zu beglücken
Mit ungehoffter Größe Glanz und Schein!
Längst spart' ich mir dies höchste der Entzücken,
Wohl bleibt es stets sein höchster Schmuck allein;
Doch auch die Hoheit darf das Schöne schmücken,
Der goldne Reif erhebt den Edelstein.
Ich höre dich, o Herr, vom langen Schweigen
Zum erstenmal den stummen Mund entsiegeln.
Mit Späheraugen folgt' ich dir schon längst,
Ein seltsam wunderbar Geheimniß ahnend;
Doch nicht erkühnt' ich mich, was du vor mir
In tiefes Dunkel hüllst, dir abzufragen.
Dich reizt nicht mehr der Jagden muntre Lust,
Der Rosse Wettlauf und des Falken Sieg.
Aus der Gefährten Aug verschwindest du,
So oft die Sonne sinkt zum Himmelsrande,
Und Keiner unsers Chors, die wir dich sonst
In jeder Kriegs – und Jagdgefahr begleiten,
Mag deines stillen Pfads Gefährte sein.
Warum verschleierst du bis diesen Tag
Dein Liebesglück mit dieser neid'schen Hülle?
Was zwingt den Mächtigen, daß er verhehle?
Denn Furcht ist fern von deiner großen Seele.
Geflügelt ist das Glück und schwer zu binden,
Nur in verschloßner Lade wird's bewahrt.
Das Schweigen ist zum Hüter ihm gesetzt,
Und rasch entfliegt es, wenn Geschwätzigkeit
Voreilig wagt, die Decke zu erheben.
Doch jetzt, dem Ziel so nahe, darf ich wohl
Das lange Schweigen brechen, und ich will's.
Denn mit der nächsten Morgensonne Strahl
Ist sie die Meine, und des Dämons Neid
Wird keine Macht mehr haben über mich.
Nicht mehr verstohlen werd' ich zu ihr schleichen,
Nicht rauben mehr der Liebe goldne Frucht,
Nicht mehr die Freude haschen auf der Flucht,
Das Morgen wird dem schönen Heute gleichen,
Nicht Blitzen gleich, die schnell vorüber schießen
Und plötzlich von der Nacht verschlungen sind,
Mein Glück wird sein, gleichwie des Baches Fließen,
Gleichwie der Sand des Stundenglases rinnt.
So nenne sie uns, Herr, die dich im Stillen
Beglückt, daß wir dein Loos beneidend rühmen
Und würdig ehren unsers Fürsten Braut.
Sag' an, wo du sie fandest, wo verbirgst,
In welches Orts verschwiegner Heimlichkeit?
Denn wir durchziehen schwärmend weit und breit
Die Insel auf der Jagd verschlungnen Pfaden,
Doch keine Spur hat uns dein Glück verrathen,
So daß ich bald mich überreden möchte,
Es hülle sie ein Zaubernebel ein.
Den Zauber lös' ich auf, denn heute noch
Soll, was verborgen war, die Sonne schauen.
Vernehmet denn und hört, wie mir geschah.
Fünf Monde sind's, es herrschte noch im Lande
Des Vaters Macht und beugete gewaltsam
Der Jugend starren Nacken in das Joch —
Nichts kannt' ich als der Waffen wilde Freuden
Und als des Waidwerks kriegerische Lust.
– Wir hatten schon den ganzen Tag gejagt
Entlang des Waldgebirges – da geschah's,
Daß die Verfolgung einer weißen Hindin
Mich weit hinweg aus eurem Haufen riß.
Das scheue Thier floh durch des Thales Krümmen,
Durch Busch und Kluft und bahnenlos Gestrüpp,
Auf Wurfes Weite sah ich's stets vor mir,
Doch konnt' ich's nicht erreichen, noch erzielen,
Bis es zuletzt an eines Gartens Pforte mir
Verschwand. Schnell von dem Roß herab mich werfend
Dring' ich ihm nach, schon mit dem Speere zielend,
Da seh' ich wundern das erschrockne Thier
Zu einer Nonne Füßen zitternd liegen,
Die selbst mit zarten Händen schmeichelnd kost.
Bewegungslos starr' ich das Wunder an,
Den Jagdspieß in der Hand, zum Wurf ausholend —
Sie aber blickt mit großen Augen flehend
Mich an. So stehn wir schweigend gegen einander —
Wie lange Frist, das kann ich nicht ermessen,
Denn alles Maß der Zeiten war vergessen.
Tief in die Seele drückt sie mir den Blick,
Und umgewandelt schnell ist mir das Herz.
– Was ich nun sprach, was die Holdsel'ge mir
Erwiedert, möge Niemand mich befragen,
Denn wie ein Traumbild liegt es hinter mir
Aus früher Kindheit dämmerhellen Tagen,
An meiner Brust fühlt' ich die ihre schlagen,
Als die Besinnungskraft mir wieder kam.
Da hört' ich einer Glocke helles Läuten,
Den Ruf zur Hora schien es zu bedeuten,
Und schnell, wie Geister in die Luft verwehen,
Entschwand sie mir und ward nicht mehr gesehen.
Mit Furcht, o Herr, erfüllt mich dein Bericht.
Raub hast du an dem Göttlichen begangen,
Des Himmels Braut berührt mit sündigem Verlangen,
Denn furchtbar heilig ist des Klosters Pflicht.
Jetzt hatt' ich eine Straße nur zu wandeln,
Das unstet schwanke Sehnen war gebunden,
Dem Leben war sein Inhalt ausgefunden.
Und wie der Pilger sich nach Osten wendet,
Wo ihm die Sonne der Verheißung glänzt,
So kehrte sich mein Hoffen und mein Sehnen
Dem einen hellen Himmelspunkte zu.
Kein Tag entstieg dem Meer und sank hinunter,
Der nicht zwei glücklich Liebende vereinte.
Geflochten still war unsrer Herzen Bund,
Nur der allsehnde Äther über uns
War des verschwiegnen Glücks vertrauter Zeuge,
Es brauchte weiter keines Menschen Dienst.
Das waren goldne Stunden, sel'ge Tage!
– Nicht Raub am Himmel war mein Glück, denn noch
Durch kein Gelübde war das Herz gefesselt,
Das sich auf ewig mir zu eigen gab.
So war das Kloster eine Freistatt nur
Der zarten Jugend, nicht des Lebens Grab?
Ein heilig Pfand ward sie dem Gotteshaus
Vertraut, das man zurück einst werde fordern.
Doch welches Blutes rühmt sie sich zu sein?
Denn nur vom Edeln kann das Edle stammen.
Sich selber ein Geheimniß wuchs sie auf,
Nicht kennt sie ihr Geschlecht, noch Vaterland.
Und leitet keine dunkle Spur zurück
Zu ihres Daseins unbekannten Quellen?
Daß sie von edelm Blut, gesteht der Mann,
Der einz'ge, der um ihre Herkunft weiß.
Wer ist der Mann? Nichts halte mir zurück,
Denn wissend nur kann ich dir nützlich rathen.
Ein alter Diener naht von Zeit zu Zeit,
Der einz'ge Bote zwischen Kind und Mutter.
Von diesem Alten hast du nichts erforscht?
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Die Eintheilung in Aufzüge und Auftritte, die sich in der ersten und in allen bisherigen Ausgaben nicht findet, ist dem von Schiller revidirten Hamburger Bühnenmanuscript entnommen.
Anmerkung. Der Verfasser hat bei Übersendung des Manuscripts an das Theater zu Wien einen Vorschlag beigefügt, wie die Reden des Chors unter einzelne Personen vertheilt werden könnten. Der erste Chor sollte nämlich aus Cajetan, Berengar, Manfred, Tristan und acht Rittern Don Manuels, der zweite aus Bohemund, Roger, Hippolit und neun Rittern Don Cesars bestehen. Was jede dieser Personen nach des Verfassers Plane zu sagen haben würde, ist bei dieser Ausgabe angedeutet worden.
Anmerkung. Nach der Absicht des Verf. sollte die Stelle: "Hoch auf des Lebens – ihrem Sohn" auf dem Theater wegbleiben.