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Der versiegelte Engel und andere Geschichten

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Nikolai Leskow
Der versiegelte Engel und andere Geschichten / Der versiegelte Engel / Die Epopöe von Wischnewskij und / seiner Sippe / Der Toupetkünstler / Anläßlich der / Kreutzersonate

DER VERSIEGELTE ENGEL

ERSTES KAPITEL

Es war um die Weihnachtszeit, am Vorabend des Wassilijtages. Das Wetter ließ sich sehr ungnädig an. Einer der grausamen Landstürme, welche die Winter in den Wolgasteppen berüchtigt machen, hatte eine Menge Leute in den abgelegenen Gasthof getrieben, ein Bauernhaus inmitten der flachen, unabsehbaren Steppe. Dort hatten sich auf einem Haufen Adelige, Kaufleute, Bauern zusammengefunden, Russen, Mordwinen und Tschuwaschen. Auf Rang und Würden konnte man in einem solchen Nachtquartier keine Rücksicht nehmen: wohin man sich wendet, alles ist gedrängt voll, die einen trocknen sich, die anderen wärmen sich, die dritten suchen ein wenn auch noch so kleines Plätzchen, auf dem sie bleiben können. In der dunklen, niederen, mit Menschen überfüllten Stube herrscht eine schwere Schwüle und der dichte Dampf der nassen Kleider. Nirgends ist ein unbesetzter Fleck zu sehen: auf den Pritschen, dem Ofen, den Bänken, und selbst auf dem schmutzigen Erdboden, überall liegen Menschen. Der Hauswirt, ein mürrisch blickender Bauer, zeigt weder über seine Gäste, noch über den Verdienst irgendwelche Freude. Zornig schlägt er das Tor hinter den zwei Kaufleuten zu, die als letzte auf Schlitten in den Hof gekommen sind. Er schließt die Pforte ab, hängt den Schlüssel unter den Heiligenschrank und erklärt entschieden:

»Nun kann kommen wer will, und wenn er mit dem Kopf ans Tor schlägt, ich mach nicht auf!«

Aber kaum hatte er es gesagt, seinen weiten Schafspelz abgelegt, sich mit breiter Gebärde auf Raskolniki-Art bekreuzigt und sich fertig gemacht, auf den heißen Ofen zu klettern, als jemand zaghaft an die Scheibe klopfte.

»Wer ist dort?« rief der Hauswirt mit lauter, ärgerlicher Stimme.

»Wir!« antwortete es dumpf hinter dem Fenster.

»Nun, was wollt ihr noch?«

»Laß uns herein, um Christi willen, wir haben uns verirrt, sind ganz erstarrt.«

»Seid ihr viele?«

»Nicht viele, nicht viele, achtzehn im ganzen, achtzehn,« sagte stammelnd und mit den Zähnen klappernd ein anscheinend ganz erfrorener Mensch hinter der Scheibe.

»Ich kann euch nicht einlassen, die ganze Stube ist mit Menschen ausgelegt.«