Es war neun Uhr Morgens.
Die durch das während der Nacht stattgehabte Gewitter gereinigte Atmosphäre war wundervoll klar. Die Barken der Fischer durchfurchten schweigend den Golf zwischen dem doppelten Azur des Himmels und des Meeres.
Von dem Fenster des Speisezimmers aus hätte der in demselben auf- und abgehende Chevalier die Häuser, welche in einer Entfernung von sieben Meilen den schwarzen Abhang von Ana Capri wie weiße Punkte marmorierten, sehen und zählen können, wenn seine Gedanken in diesem Augenblicke nicht durch etwas Anderes beschäftigt worden wären.
Er dachte nämlich an jene von Buffon in seinen Epochen der Natur aufgestellte, dem Chevalier etwas gewagt erscheinende Hypothese, daß die Erde durch Zusammenstoß mit einem Kometen von der Sonne abgesprengt worden.
Gleichzeitig aber empfand er auch eine unbestimmte Unruhe, welche ihm durch den lang andauernden Schlaf seiner Gattin verursacht ward.
Es war seit seiner Vermählung heute das erste Mal, daß er beim Heraustreten aus seinem Cabinete gegen acht Uhr Morgens Luisa nicht mit Zubereitung der Taffe Kaffee, Brotes, der Butter, der Eier und der Früchte beschäftigt fand, welche das gewöhnliche Frühstück des Gelehrten ausmachten, ein Frühstück, welches dann sie, die es mit der doppelten Aufmerksamkeit einer ehrerbietigen Tochter und einer zärtlichen Gattin bereitet, mit jugendlichem Appetite zu theilen pflegte.
Nach beendetem Frühstücke, das heißt gegen zehn Uhr Morgens, küßte der Chevalier mit der Regelmäßigkeit, die er in allen Dingen beobachtete, wenn ihn nicht irgend eine naturwissenschaftliche oder philosophische Frage ganz vorzugsweise beschäftigte, seine junge Gattin auf die Stirn und machte sich auf den Weg nach der Bibliothek des Prinzen, einen Weg, den er, wenn das Wetter nicht allzu schlecht war, sowohl um des Vergnügens und der Zerstreuung willen als in Folge des ärztlichen Rathes seines Freundes Cirillo, stets zu Fuße machte und der, da er sich von Mergellina bis zum königlichen Palaste erstreckte, ziemlich anderthalb Kilometer oder zwanzig Minuten betrug.
In diesem Palaste wohnte der Kronprinz in der Regel sechs Monate des Jahres hindurch. Während der andern sechs Monate wohnte er in der sogenannten Favorite oder in Capodimonte. Für diese Zeit war dem Chevalier eine Equipage zur Verfügung gestellt.
Wenn der Prinz in dem königlichen Palaste wohnte, so kam er unabänderlich gegen elf Uhr in seine Bibliothek herunter und fand hier seinen Bibliothekar gewöhnlich auf einer Leiter stehend, um ein seltenes oder neues Buch zu suchen.
Sobald San Felice den Prinzen bemerkte, machte er eine Bewegung, um von der Leiter hinabzusteigen; der Prinz gab dies aber nicht zu. Es entspann sich dann eine fast stets literarische oder wissenschaftliche Conversation zwischen dem Gelehrten auf seiner Leiter und dem Schüler auf seinem Sessel.