Diesen Morgen war ich in Amarapura, der Hauptstadt des Kaiserreichs Birma, angekommen.
Den Major Faire, ein Freund von mir, hatte vergangenes Jahr eine diplomatische Mission dorthin geführt, und er hatte mir das eigenartige Land in einer Weise beschrieben, daß ich mich entschloß, einen Abstecher dorthin aus meiner Reise durch Asien zu machen. Er gab mir sogar ein Empfehlungsschreiben an den Wongy Mangvé-Mengyi, einen von den vier ersten Würdenträgern des Kaisertums, mit. Dieser hatte seinerzeit mit dem Major Freundschaft geschlossen.
Amarapura ist an den Ufern des Sees Myit-nge erbaut, der von dem Flusse Irawadi durch ein Netz von Kanälen gespeist wird.
Der Dampfer, welchen ich in Rangoun bestiegen hatte, brachte eine wertvolle Güterladung für einen armenischen Kaufmann nach Amarapura. Es war nicht ganz leicht für das Fahrzeug gewesen, dieses Labyrinth von Kanälen zu durchkreuzen.
Wir alle atmeten erleichtert auf, als endlich eine Holzbrücke in Sicht kam, welche den Landungsplatz mit der Stadt verbindet. Dieser war dicht mit Neugierigen angefüllt. Die Ankunft eines Dampfschiffes bedeutet stets ein außerordentliches Ereignis für das neugierige Publikum, unter welches sich dann noch viele Packträger, Fremdenführer und Verkäufer von Früchten u. dgl. mischen.
Das Schauspiel, das die bunte Menge bot, war von eigenartig exotischem Reiz: Eingeborene in ihrer bunten Nationaltracht; die Angehörigen der höheren Kasten in langen samtenen Mänteln, den Kopf mit einer Mütze bedeckt, welche große Ähnlichkeit mit der Mitra unserer Bischöfe hatte; die Priester mit ihren kahlgeschorenen Häuptern; die halbnackten Lastträger. Den Hintergrund des Bildes, das diese bunte, lärmende Menge gewährt, bildet die Hauptstadt mit ihren unzähligen Palästen, Obelisken und Türmen, in deren goldenen Verzierungen sich die Sonnenstrahlen tausendfach brechen.
Ein birmanischer Offizier und Bürgersmann näherten sich dem Schiffe, als wir auf dem Landungsplatze angelangt waren. Jener trug Galauniform. Die vorhin beschriebene Mütze war bei ihm durch ein Gitterwerk von Edelsteinen so reich verziert, daß sie, dadurch beträchtlich schwer geworden, fortwährend auf seinem Kopfe hin und herschwankte und zu fallen drohte. Er half sich sehr sinnreich durch ein Instrument, das einem Papiermesser sehr ähnelte und das er in der rechten Hand trug. Mit diesem hielt er die widerspenstige Mütze auf ihrem Platze, sowie die Haare in Ordnung, die sich ihrer Frisur zu entlösen drohten. Der Mantel, der ihm bis auf die Fersen fiel, war ebenso wie die Mütze von scharlachrotem Samt und die langen Ärmel waren reich mit Gold gestickt. Unter diesem Kleidungsstück trug er ein zweites gleichlanges aus gelber Seide, dazu samtene goldgesteppte Pantoffeln.
Ein Knabe, welcher mir sofort durch seinen außerordentlich feinen Gesichtsbau auffiel, trug dem Offizier die beiden Gegenstände nach, ohne die man sich einen Birmanen von Rang nicht denken kann: eine goldene Schachtel mit Betel und einen Spucknapf von gleichem Metall. Von Zeit zu Zeit streckte der Offizier graziös die Hand aus, nahm eine Prise Betel, steckte ihn in den Mund, kaute ihn gut und spuckte dann mit großer Geschicklichkeit den roten Saft in den dargereichten Napf.
Der Bürger, der mit ihm gekommen war, trug armenische Kleidung und gab sich auch durch seine Gesichtszüge sofort als einen Kaukasier zu erkennen.
»Der Armenier ist der Eigentümer der Waren, die ich geladen habe,« sagte der Kapitän, der unbemerkt an mich herangetreten war. »Der Birmane aber ist ein Zolloffizier. Der Kaiser von Birma sucht die Europäer nur in jenen Dingen nachzuahmen, in denen sie nicht nachahmenswert sind. Er belastet seine Untertanen mit ungeheuren Steuern und Abgaben, die früher unbekannt waren.«