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Der Mime

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Wilhelm Walloth
Der Mime
Herrn
Major Dagobert von Gerhardt
(Gerhard von Amyntor)
als Zeichen aufrichtiger Verehrung
zugeeignet

Erstes Capitel

»Oeffnet im Namen des Kaisers!«

Diese laut die Nacht durchhallenden Worte schlugen an das Thor einer einsam unweit des flaminischen Weges gelegenen Villa, welche indeß auf diesen Befehl nicht zu achten schien, sondern sich, gehüllt in die Myrthenbüsche ihres Gartens, mit ihrem rebenumwundenen Säulenportal träumerisch im Mondschein badete. Nochmals tönte unheildrohend das Wort: »Im Namen des Kaisers!« durch die Stille der Nacht, begleitet von dem Gepolter der Thüre, die unter den Stößen mehrerer Lanzenschäfte zitterte. Immer noch herrschte die Stille des Todes hinter den Marmorwänden des Gebäudes, ein leichter Windhauch durchsäuselte die Cypressen, und erst, als der Kiesweg des Gartens unter schweren Tritten erknirschte, blitzte es hinter einem der Fenster hell auf.

Der Besitzer der Villa, der Mime Paris, war, von einem Gelage nach Hause kehrend, kaum erst auf das Lager gesunken, um seinen ermatteten Gliedern, seinem weinerhitzten Gehirn einige Erholung zu gönnen.

Ganz Rom bewunderte diesen schönen Schauspieler, er war der Liebling der Frauen, der Auserkorene der Männer. Der Dichter Martial hatte ihn besungen, der Kaiser Domitian ihn öfter ausgezeichnet, ja man flüsterte sich zu, die Kaiserin Domitia habe sich vor einigen Tagen, als Paris eine Frauenrolle mit dem denkbar höchsten Liebreiz getanzt, derart zur Bewunderung hinreißen lassen daß der Kaiser ihr die Aeußerung: sie fürchte sich vor diesem Manne, vor welchem die Frauen keine Geheimnisse hätten! sehr übel genommen habe.

Paris hatte es sich vor allem angelegen sein lassen, das weibliche Geschlecht zu studiren, und das Mittel, wodurch er seine Zuschauer am unfehlbarsten zu begeistern vermochte, war eben diese, sein Geschlecht vergessen zu machen. Und er wußte dies während des Tanzes mit einer Grazie zu bewerkstelligen, die auf die Männer verblüffend, auf die Frauen, die ihre eigenen Schwächen in seinen Geberden wiedererkannten, im höchsten Maße berauschend wirkte.

Kein Wunder, daß den mit dem Körper eines Hermes ausgestatteten Jüngling schließlich das Uebermaß der Bewunderung zum Wüstling machen wußte, daß kein Morgen verging, der ihn nicht von Wein und Liebe berauscht auf seinem Lager fand.

So finden wir ihn denn auch in dieser Nacht, von wüsten Träumen gefoltert, die Erholung suchen, die er so nöthig brauchte, als ihn jetzt der grelle Schein einer ihm über das Haupt gehaltenen Lampe weckte. Mit einem Ruck saß der Jüngling im Bette aufrecht, den die Lampe haltenden Sklaven, den Knaben Marcus, verwundert anstarrend.

»Ja, gewiß! sogleich!« murmelte er schlaftrunken, mit beschämter Miene, sich an die schmerzende Stirn fassend, dann fuhr er, sich die Augen reibend, lächelnd fort: »Ist es schon so spät? Ich weiß, ich verdiene deinen Tadel,« – als jedoch immer noch keine Antwort erfolgte, besann er sich, sah prüfend ringsum und faßte den Knaben mit dem Ausdruck großer Besorgniß an der Schulter.

»Weckst du mich wegen der Mutter?« frug er hastig, »bedarf sie meiner?«

»Nicht doch, Herr, deine Mutter schläft, soviel ich weiß,« erwiderte der erbleichte Knabe, und unfähig, in seiner Angst ein Wort hervorzubringen, deutete er nach dem Fenster, mit einer so beredten Miene des Entsetzens, daß sein Herr lauschend den Kopf nach dem Fenster wandte.