Etwa fünfzehn Stunden von München, das in den Reisehandbüchern eine der höchstgelegenen Städte nicht nur Baierns, sondern Europa’s genannt wird, fünf Stunden von Augsburg, der altberühmten Reichsstadt, wo 1530 das lutherische Glaubensbekenntnis von Melanchthon entworfen wurde, zwanzig Stunden von Regensburg, wo von 1662 bis 1806 die deutschen Reichsstände versammelt waren, erhebt sich die kleine Stadt Donauwörth, wie ein vorgeschobener Posten die Donau überragend.
Vier Landstraßen vereinigen sich in dem uralten Städtchen, wo Herzog Ludwig der Strenge auf einen ungegründeten Verdacht hin die unglückliche Maria von Brabant enthaupten ließ. Zwei dieser Straßen führen über Nördlingen und Dillingen nach Stuttgart und Frankreich, die beiden andern vermitteln den Verkehr mit Oesterreich. Die beiden ersten laufen am linken Donauufer bin; die beiden andern, am rechten Ufer, vereinigen sich bei Donauwörth zu einer einfachen hölzernen Brücke.
Jetzt hat das Städtchen durch die Eisenbahn und die Dampfschifffahrt eine gewisse Wichtigkeit erlangt und es herrscht ein ziemlich reges Leben, aber im Anfange dieses Jahrhunderts war es noch nicht so.
Der alte Ort, der in gewöhnlichen Zeiten von der Göttin der Einsamkeit und von dem Gott des Schweigens zur Residenz erkoren schien, bot indeß am 17. April 1809 ein für die zweitausendfünfhundert Einwohner so ungewohntes Schauspiel, daß mit Ausnahme der Wiegenkinder und der lahmen Greise die ganze Bevölkerung auf den Beinen war und insbesondere die Gasse, bei der sich die von Stuttgart kommenden Landstraßen vereinigten, und den Schloßplatz anfüllten.
Am 13. April Abends hatten drei Postchaisen, von Packwagen begleitet, vor dem Gasthofe »zum Krebs« angehalten. Aus dem ersten Reisewagen war ein General gestiegen, der, wie der Kaiser, einen kleinen Hut, und über seiner Uniform einen grauen Rock trug; aus dem andern war ein ganzer Generalstab hervorgekommen Es hatte sich das Gerücht verbreitet, der Sieger von Marengo und Austerlitz habe in dem bevorstehenden Feldzuge gegen Oesterreich das Städtchen Donauwörth zum Mittelpunkt seiner Operationen erkoren.
Dieser General, der von Neugierigen am Gasthofsfenster als ein Mann von sechs- bis siebenundfünfzig Jahren erkannt wurde, war nach der Behauptung Wohlunterrichteter der alte Kronmarschall Berthier, Fürst von Neuchâtel, und man versicherte, der Kaiser werde in zwei bis drei Tagen nachfolgen. Er hatte in der Nacht nach seiner Ankunft nach allen Richtungen Couriere abgeschickt und eine Zusammenziehung von Truppen angeordnet, die schon am folgenden Tage begann. Man hörte in und um Donauwörth nur Trommelwirbel und Trompetenstöße, und von allen vier Himmelsgegenden rückten baierische, würtembergische und französische Regimenter an.
Vor Allem ein Wort über die beiden alten Feinde Frankreich und Oesterreich, und über die Umstände, die den zwischen Napoleon und dem Kaiser Franz II. geschlossenen Pressburger Frieden gebrochen hatten und nun das sonst so stille Städtchen mit Kriegslärm erfüllten.
Der Kaiser Napoleon war mit Spanien im Kriege. Der Vertrag von Amiens war nemlich nur ein Jahr in Wirksamkeit gewesen; England hatte den König Johann VI. Von Portugal bewogen, seine gegen den Kaiser der Franzosen übernommenen Verpflichtungen zu brechen. Als Napoleon die Nachricht erhielt, schrieb er nur folgende mit seinem Namen unterzeichnete Zeile: »Das Haus Braganza hat aufgehört zu regieren.« Johann VI. aus Europa vertrieben, mußte sich über den atlantischen Ocean flüchten und in den portugiesischen Colonien eine Zuflucht suchen.
Camoëns hatte bei dem Schiffbruch, den er an der Küste von Cochinchina litt, sein unsterbliches Gedicht gerettet, das er mit der einen Hand hielt, während er mit der andern schwamm. Johann VI. war gezwungen, in dem Sturme, der ihn nach Rio-Janeiro trieb, seine Krone loszulassen. Er fand jenseits des Oceans freilich eine andere und ließ sich zum Ersatz für sein europäisches Königreich zum Kaiser von Brasilien ausrufen.
Die französischen Heere marschirten durch Spanien und nahmen Portugal in Besitz. Junot wurde zum Gouverneur ernannt. Portugal war so unbedeutend, daß man nur einen Gouverneur an die Spitze der Verwaltung stellte.