Es war Winter; der Schnee deckte die Natur wie das Bahrentuch einer Jungfrau; Felder und Wiesen waren eingeschlummert: doch war ihr Schlaf so ruhig und so voll Hoffnung auf ein fröhliches Erwachen, daß selbst der Anblick dieser einförmigen Leblosigkeit das Herz nicht ganz trostlos ließ.
Und es war kein Wunder! Am blauen Himmel glänzte heiter die Wintersonne, die ihr Licht über die ruhende Natur goß. Tausende von funkelnden Perlen schimmerten im unermeßlichen Schneefeld; in jedem Flocken spiegelte sich das Sonnenbild, und die Farbengluth, die daraus entsprang, schien dem Schnee selbst Leben und Seele zu verleihen.
Nichts unterbrach die weite weiße Fläche – auch Dorf und Kirche hüllten sich in die Falten ihres Wintergewandes – nur die düsteren Tannen erhoben ihre Kronen über den Schnee und standen unbeweglich da, wie die Schildwachen um ein Lager in tiefem Schlummer.
So herrschte in der äußern Natur eine vollkommene Stille; aber der Mensch hatte seine rege Thätigkeit nicht ausgesetzt; aus jedem Bauernhof, aus jedem Hause im Dorfe erhoben sich Stimmen und Lärmen aller Art. Hier erdröhnten die Dielen unter dem Schlage des Dreschflegels, dort rasselten ungeduldig die Mühlen; etwas weiter wurde Flachs gebrochen und die Milch zu Butter gerührt.
Dazu kam der liebliche Gesang der Mädchen, das helle Pfeifen der Männer – das Gewieher der Pferde, das Gebrülle der Kühe und das klägliche Geblöke der Schafe . . .
Alles vereinigte sich zu einem Lobgebet, das zu Gott aufstieg, um ihm zu sagen, wie seine Geschöpfe sich der Arbeit freuen und ihr Loos auf Erden preisen!
Ein einziges Haus blieb, in diesem Getümmel, still und stumm wie ein Grab. Es stand einige Bogenschüsse weit vom Dorfe und war offenbar der Ueberrest eines alten Klosters, wovon der größte Theil abgebrannt oder abgebrochen war; ringsum lagen noch, hie und da, die Schutthaufen der gewaltigen Mauern.
Als Wohnung diente eine übriggebliebene Seite des Klosters; die gothischen Fenster waren mit aufgerafften Ziegelsteinen grob zugemauert; und hohe Mauern, mit vorspringendem Gesimse, umschlossen das Haus und den anliegenden Garten.
Doch war es nicht dieß Alles, das den Vorbeigehenden an dem sonderbaren Hause zum Stehen brachte und ihm düstere Gedanken einflößte.
Der traurige Rest ehemaligen Reichthums und Glanzes war so erbärmlich im Verfalle, daß der Anblick dem Herzen wehe that. Der Boden ringsum war völlig unangebaut; hohe Steinhaufen und tiefe Gruben machten ihn fast unwegbar. Die nackten Mauern waren durch die Zeit ausgefressen und mit langen Rissen durchzogen; hie und da waren die Stützen eingestürzt. Nirgends merkte man, daß eine Menschenhand gesucht hätte, den Schaden herzustellen oder dem völligen Ruin zuvorzukommen.