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Die neue Magdalena

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Wilkie Collins
Die Neue Magdalena

Erstes Buch
I.
Das Häuschen an der Grenze

Einleitung

Der Schauplatz ist Frankreich.

Der Zeitpunkt ist der Herbst des Jahres 1870 – des Kriegsjahres zwischen Frankreich und Deutschland.

Die Personen sind: Kapitän Arnault in der französischen Armee; Wundarzt Surville bei der französischen Ambulanz; Wundarzt Wetzel bei der deutschen Armee; Mercy Merrick, als Wärterin der französischen Ambulanz beigegeben, und Grace Roseberry, eine Dame, auf einer Reise nach England begriffen.

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1.
Zwei Frauen

Es war eine dunkle Nacht. Der Regen goss in Strömen herab.

Spät am Abend waren Streifpatrouillen der Franzosen und Deutschen nahe bei dem kleinen Dorf Lagrange dicht an der deutschen Grenze aufeinander gestoßen und handgemein geworden. In dem Kampf, der sich dann entspann, hatten diesmal die Franzosen über den Feind gesiegt. Für den Augenblick wenigstens waren einige hundert Mann vom Heere der Eindringlinge über die Grenze zurückgeworfen worden. Es war ein unbedeutendes Gefecht, bald nach dem großen deutschen Sieg von Weißenburg, und die Zeitungen haben gar keine, oder nur wenig Notiz davon genommen.

Kapitän Arnault, der Befehlshaber auf französischer Seite, saß allein in einem Häuschen des Dorfes, das von dem Müller der Gegend bewohnt war. Er las eben beim matten Schein eines Talglichtes einige aufgefangene Depeschen der Deutschen.

Er hatte die brennenden Scheiter, die auf dem großen, offenen Rost lagen, verlöschen lassen; die rote Glut der Kohlen erleuchtete nur schwach einen Teil des Zimmers. Hinter ihm auf dem Fußboden lagen einige leere Säcke des Müllers. In der Ecke, ihm gegenüber, stand das massive Bett aus Nussbaumholz. An den Wänden ringsum hingen in reicher Abwechslung kolorierte Abbildungen von allerlei frommen und häuslichen Gegenständen. Eine Verbindungstür, welche in die Küche des Häuschens führte, war aus ihren Angeln gerissen worden, um darauf die im Scharmützel Verwundeten herein zu tragen. Sie waren jetzt in der Küche bequem zur Ruhe gebracht unter der Obhut des französischen Arztes und der englischen Wärterin, welche die Ambulanz begleitete. Ein Stück groben Zeuge hing in der Öffnung zwischen den beiden Zimmern und bildete so den Ersatz für die Tür. Eine zweite Tür, die vom Schlafzimmer in den Hof hinausführte, war versperrt; und der hölzerne Laden, welcher das eine Fenster des Zimmers verwahrte, war sorgfältig verriegelt. Verstärkte Wachen standen auf allen Vorposten. Auf diese Weise hatte der französische Kommandant sein Möglichstes getan, um sich und seinen Leuten eine ungestörte Nachtruhe zu sichern.

Kapitän Arnault war noch in die Depeschen vertieft, aus denen er zuweilen mithilfe des auf dem Tisch stehenden Schreibzeuges Notizen machte, als er in dieser Beschäftigung durch das Erscheinen eines Eintretenden unterbrochen wurde. Doktor Surville trat aus der Küche herein, indem er den Zeugvorhang auf die Seite schob, und näherte sich dem kleinen, runden Tisch, an welchem sein Vorgesetzter saß.

»Was gibt's?« fragte der Kapitän in scharfem Ton.

»Ich hätte eine Frage an Sie«, versetzte der Arzt. »Sind wir gesichert für die Nacht?«

»Weshalb wollen Sie das wissen?« forschte der Kapitän argwöhnisch. Der Arzt deutete nach der Küche, die nunmehr zum Hospital für die Verwundeten umgewandelt war.

»Die armen Kerls da drinnen sind besorgt für die nächsten paar Stunden«, versetzte er. »Sie fürchten einen Überfall und sie fragen mich, ob sie halbwegs sicher sein können, eine ruhige Nacht zu haben. Was glauben Sie darüber?«

Der Kapitän zuckte die Achseln. Der Arzt ließ nicht nach. »Aber, Sie sollten es wissen,« sagte er.