Stürmisch wie ein siegreicher Eroberer war der Frühling ins Land eingebrochen. Lang genug hatte ihm der Winter getrotzt. Auf den Bergen Masurens hatte er sein Reich aufgerichtet und mit einem meterhohen Schneewall umschanzt … und die tiefen Seen hatte er mit einer fußdicken Eisschicht belegt. Unruhig zogen die Fische in der Dämmerung hin und her und warteten voll Sehnsucht auf den Helden, der die Decke über ihren Häuptern wegfegen sollte. Aber die treuen Diener des Eisriesen, der kalte Nordwind und der scharfe Ostwind, hielten gute Wacht. … Da endlich stürmte es von Süden heran … ein warmer, feuchter Südwest bedeckte den Himmel mit schweren, dunklen Wolken … Unter seinem Hauch erwachte das Wasser zu neuem Leben … Der Schnee wurde seinem Meister abtrünnig und schlug sich zu dem neuen Gebieter.
Zuerst rieselten nur handbreite Rinnsale von den Bergen herab bald waren die Gräben gefüllt und wurden zu strömenden Bächen … Gurgelnd und schäumend schoss die trübe Flut talwärts und staute sich in den Mulden des Ackers zu Weihern … Es dauerte nicht lange, da kam auf den Bergkuppen der schwarze Boden zum Vorschein, und am nächsten Morgen schon trippelte dort die Lerche umher, schwang sich in die Luft und sang dein Befreier des Landes ein Loblied…
Was der Südwest übergelassen, verzehrte ein warmer Regen … und das lebendig gewordene Wasser sank hinab zu den Wurzeln der Bäume und Sträucher und stieg in ihnen empor zu den Knospen, dass sie sich dehnten und wuchsen … Dann kam die Sonne hinter den Wolken hervor und freute sich über den Eifer, mit dem ihr Töchterchen sich für den Geliebten schmückte…
An der Grenze zwischen Andreaswalde und Dalkowen hielt ein Reiter auf stattlichem Ross … ein schmucker, junger Mann mit blauen Augen und hellem Haar. Die kaum mittelgroße Gestalt schien nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen; die selbstbewusste Ruhe und Sicherheit, die von dem Reiter ausging, hatte sich auch seinem Ross mitgeteilt. Wie eine Bildsäule stand der prächtige Goldfuchs. Nur ab und zu warf er mit einer kurzen Bewegung den Kopf auf…
Der Reiter bog sich vorn über und strich ihm liebkosend über die glatte Seite des Halses.
»Ein Weilchen wollen wir noch warten, mein alter Potrimpos, vielleicht kommt sie doch noch … Was habe ich gesagt? Da kommt sie auch schon…«
Eben bog aus dem Tor von Andreaswalde eine Reiterin … eine zierliche, elegante Erscheinung. Mit einem glücklichen Lächeln sog Wolf Stutterheim das Bild in sich … die schlanke Gestalt auf dem edlen Ross, das unter ihr tänzelte … Nun ließ er auch seinen Fuchs angehen und ritt ihr entgegen.
»Guten Morgen, Hanna, ich dachte mir, dass der warme Sonnenschein dich herauslocken würde…«
»Guten Morgen, Wolf … wie geht es deinem Mütterchen?«
»Danke, gut … sie hat nur einen großen Zorn auf eine gewisse Hanna Brettschneider, die sich seit vierzehn Tagen bei ihr nicht hat sehen lassen.«