Читать онлайн
Die Extrafahrt

Нет отзывов
Adolf Mützelburg
Die Extrafahrt

Die folgenden Blätter sind schon vor Jahren in einem Anflug jugendlichen Leichtsinns, der keinen ernsten, noch weniger einen kritischen Gedanken aufkommen ließ, geschrieben worden. Wären sie nicht von dem Feuilleton der »Kölnischen Zeitung« und, wie ich erfahren, auch von dem Publikum mit freundlichem Wohlwollen aufgenommen worden, so würde ich es nicht wagen, sie noch einmal aus der Vergessenheit zu ziehen, der sie – selbst für mich – schon verfallen waren. Ich gebe sie hier unverändert. Wollte ich anfangen zu streichen, so würde ich wahrscheinlich – Alles streichen! Und einzelne meiner hochverehrten Leser, denen ich über eine Fahrt durch langweilige oder bekannte Gegenden, oder auch über eine müßige Stunde im Lehnstuhle hinweggeholfen, möchten am Ende doch ausrufen: Ei, das wäre Schade gewesen!

Weiter wünsche ich nichts. Ich habe auch einige bedenkliche Stellen nicht gestrichen – nur zum Besten meines lieben Lesers! Denn man pflegt sich eigentlich niemals recht amüsirt zu haben, wenn man nicht auch ein bischen kritteln oder spotten konnte!

Also – vive la bagatelle!

A. M.

Die Extrafahrt

Reisen oder Nichtreisen? – Ich hatte eigentlich keine große Lust. Zwar hatte ich Hamburg noch nicht gesehen – eine der interessantesten Städte Deutschlands, wie alle Welt sagt – die größte Handelsstadt des Vaterlands, die Stadt der Millionäre, der sauren Enten und der »Rumstücks« – sieben Stunden von Berlin – es war eine Schmach! Aber ich war den größten Theil des Sommers auf der Reise gewesen, ich sehnte mich nach Ruhe; Arbeiten in Fülle hinderten mich. Ich war sehr unentschlossen. Noch dazu bedurfte die Sache einer raschen Entscheidung. Der Extrazug ging am folgenden Morgen ab; meine Bekannten drängten. Genug, ich ging in unbehaglicher Stimmung nach Hause und überlegte unterwegs.

Es war der letzte August; das Wetter schien schön werden zu wollen. Am Ende waren es ja auch nur ein paar Tage, die ich zu opfern hatte, und dafür das reiche Hamburg, die Pavillons, der Hafen, der Stintfang, Blankenese, vielleicht Kiel und Helgoland! Auf der anderen Seite ein Bedürfniß nach Ruhe, drängende Arbeiten, eine angenehme Aussicht für das nächste Jahr, wenn ich die Reise bis dahin verschob. Ich schwankte und schwankte, und mein Entschluß arbeitete wie die Kurbel einer gehemmten Locomotive, die nicht weiß, ob sie vor- oder rückwärts stoßen soll.

Zu Hause dieselbe Unentschiedenheit. Nun erst noch packen, wenn auch wenig, einige Briefe schreiben, um Einladungen abzulehnen – nein, ich reise nicht! Und doch wieder – einige Tage fort zu sein, frei und ledig in fremder Luft zu athmen, die lange Zeit der Rast und des Winters um ein paar Tage zu betrügen – es bohrte und bohrte fort, heimlich und nervös aufregend, wie das Bohren des Holzwurmes, wie jeder verführerische Gedanke, den uns der Zufall in den Weg wirft. Mag das Loos entscheiden! Kopf oder Schrift!

Ehe ich das Geldstück aus dem Portemonnaie genommen, klingelte es. Es war der Briefträger; er brachte mir einen Brief; ich kannte die Handschrift. Es war das Schreiben eines Freundes aus der Provinz.

»Lieber Freund! In aller Eile und bis auf Weiteres diese wenigen Zeilen. Sie sollen zur Empfehlung einer Dame dienen, die wahrscheinlich morgen ober übermorgen in Berlin eintreffen wird. Sie ist eine der geistreichsten Damen unseres Städtchens. Ich habe sehr angenehme Abende in ihrer Gesellschaft erlebt. Aber nicht meinetwegen sollst Du sie freundlich aufnehmen . . .«

Freundlich aufnehmen? Ich? Aber was in aller Welt geht mich die Dame an? Doch weiter!

»Im Gegentheil, ich denke Dir selbst einige freundliche Stunden zu bereiten, indem ich dieser Dame die Gelegenheit erleichtere, Dich zu sehen. Sie ist eine erklärte Bewundererin Deines Talentes. Sie hat mir offen gestanden, daß sie von Deiner edlen Auffassung des weiblichen Charakters entzückt sei.«

O weh! O weh! Aber weiter!

»Sie wünscht deshalb nichts sehnlicher, als Dich kennen zu lernen, und ich habe ihr natürlich eine so verlockende Schilderung von Dir gemacht, daß ihre Sehnsucht aufs Höchste gestiegen ist. Fürchte nichts! Sie ist kein schwärmerisches Kind mehr, keine Bettina, so wenig wie Du ein Goethe!«

Malitiös! Kein Kind mehr? Um so schlimmer! Wahrscheinlich so eine alte Jungfer von – halt! Ich werde mich hüten, meinen Leserinnen zu sagen, wie weit ich die Grenze hinausrücke, bis zu der das schöne Geschlecht mir gefährlich ist! Weiter! der Kelch muß ausgetrunken werden!