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Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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Alexandre Dumas
Der Secretair der Marquise Du-Deffand

Erster Band

Erstes Kapitel

Ein Brief von Herrn Walpole, den ich gestern erhielt, hat mich die ganze Nacht träumen gemacht, denn ich bin wie Lafontaine's Haase in seinem Lager, ich träume in dem meinigen viel, wenn ich nicht darin schlafen kann.

Da es seit fast einem Jahrhunderte mehre sehr bekannte Walpole's in der Welt giebt, so ist es billig, daß ich hier darthue, wer der meinige ist. Er ist weder Robert Walpole, erster Graf von Oxford, Minister des Königs Georg I., noch Horaz Wolpole, der Bruder des genannten, Gesandter in Frankreich bei den Generalstaaten; er ist Horaz Walpole, der Neffe des Letztern und dritter Sohn des Ministers, Schloßherr von Strawberry-Hill, mein bester Freund und eifrigster Correspondent.

Walpole gab mir, ein wenig barsch vielleicht, nach seiner Gewohnheit, ein Mittel, einen Hauptfeind zu bekämpfen, die Langweile nämlich, die mich trotz aller meiner Gegenanstrengungen verfolgt und verzehrt. Er hat mich veranlaßt, Erinnerungen aus meinem Leben zu schreiben; er sagt mir, daß ich viel gesehen habe, und daß ich mir folglich viel in das Gedächtniß zurückrufen könne. Das ist wahr, aber ich langweile mich bereits dergestalt über meine traurige Person, daß ich mich ohne Zweifel noch mehr langweilen werde, wenn ich von mir spreche. Ich habe indeß ein Hilfsmittel, das ich gewiß anwenden werde, und dies besteht darin, mich mehr mit Andern, als mit mir selbst zu beschäftigen.

Ich werde dabei das christliche Gesetz von der Liebe zu dem Nächsten in Anwendung bringen, und mich bemühen, diesen armen Nächsten, den ich stets außerordentlich seltsam gefunden und der mir so oft Gutes erzeigt hat, so wenig als möglich zu verleumden.

Sprechen wir also, da es einmal geschehen muß, von dem Nächsten. Alle Nächsten sind unter sich verschieden. Der Nächste meiner Jugend hatte eine andere Gestalt als der von heute, er besaß einen anderen Geist, andere Ideen; und dennoch muß ich bekennen, daß es mir nicht schien, als ob er seit dieser Zeit gewonnen hätte. Ich im Gegentheil habe so viel verloren! Sollte ich die Einzige sein, der Unrecht geschehen wäre?

Eine arme Blinde wie ich ist recht sehr zu beklagen; sie muß sich auf Andere verlassen, hat zu Niemandem Vertrauen, und muß fürchten, daß man sie beständig hintergeht. Wird der boshafte kleine Secretair, den, ich dictire, Alles niederschreiben, was ich ihm sage? Die jungen Mädchen sind verschmitzt, und sicher im hohen Grade, daß es fähig ist, mich an die Nachwelt, wenn es eine solche für mich giebt, eine Menge Grobheiten richten und unterschreiben zu lassen, während der wahre Namen derer, die sie geschrieben, unbekannt bleibt. Was ist da zu thun? Ich bin überzeugt, daß es lacht, während es diese Zeilen, die Frucht meiner üblen Laune, schreibt. Leider lacht man so gern mit zwanzig Jahren! Ich werde nie mehr lachen können, die ich einst so gern gelacht habe.

Einst! Welch ein häßliches Wort! Und wie oft sprechen wir es in unserm Leben aus. Es ist der Ausdruck des Bedauerns, der Begleiter der Erinnerung; es ist das Wort der Vergangenheit, jener Hälfte unsers Daseins, welche täglich die andere verschlingt, bis sie völlig aufgezehrt ist.

»Einst! Einst war ich jung, einst war ich schön, gefeiert und begehrt, sagt das Alter.

»Einst war ich reich und mächtig, einst hatte ich Höflinge und Freunde! sagt der betrogene Ehrgeiz.

»Einst war ich geliebt! sagt die entfliehende Liebe.