Читать онлайн
Blanche von Beaulieu

Нет отзывов
Alexandre Dumas (père)
Blanche von Beaulieu

I

Derjenige, welcher am Abend des 15. Decembers 1793 die Stadt Clisson, um sich nach dem Dorfe Saint-Crepin zu begeben, verlassen und auf dem Berge, an dessen Fluß die Moine hinfließt, halt gemacht hätte, würde ein seltsames Schauspiel gesehen haben.

Vor Allem wurde er an dem Orte, wo sein Blick das in den Bäumen verlorene Dorf mitten an einem schon durch die Abenddämmerung verdüsterten Horizont gesucht hätte, drei bis vier Rauchsäulen erschaut haben, welche, an ihrer Base vereinzelt, bei ihrer Ausdehnung sich verbanden, sich einen Augenblick wie ein gebräunter Dom schaukelten, und dann, schlaff einem feuchten Westwinde nachgebend, in dieser Richtung mit den Wolken eines trüben, nebeligen Himmels fortrollten. Er hätte gesehen, wie diese Base sich langsam röthete, wie sodann jeder Rauch aufhörte, und von den Dächern der Häuser spitzige Feuerzungen mit Geprassel, bald sich in Spiralen windend, bald sich neigend und sich wieder erhebend wie der Mast eines Schiffes, hervorbrachen. Es hätte ihm geschienen, es öffnen sich bald alle Fenster, um Feuer auszuspeien. Von Zeit zu Zeit, wenn ein Dach einsank, hätte er ein dumpfes Geräusch gehört, er hätte eine lebhaftere Flamme gemischt mit Tausenden von Funken unterschieden, und beim blutigen Scheine des zunehmenden Brandes hätte er Waffen glänzen und einen Kreis von Soldaten sich in der Ferne ausdehnen sehen. Er hätte Geschrei und Gelächter gehört und mit Schrecken gesagt: »Gott verzeihe mir, es ist eine Armee, die sich mit einem Dorfe wärmt!«

Es hatte wirklich eine republicanische Brigade von zwölf bis fünfzehnhundert Mann das Dorf Saint-Crepin verlassen gefunden und es in Brand gesteckt.

Das war keine Grausamkeit, sondern ein Kriegsmittel, ein Feldzugsplan wie ein anderer; die Erfahrung bewies, daß es das einzige gute Mittel war.

Eine einzelne Hütte brannte indessen nicht, man schien sogar alle nothwendige Maßregeln getroffen zu haben, damit das Feuer sie nicht erreichen konnte. Zwei Schildwachen standen vor der Thüre, und jeden Augenblick traten Ordonnanzofficiere, Adjutanten ein und kamen bald wieder heraus, um Befehle zu überbringen.

Derjenige, welcher diese Befehle gab, war ein junger Mann, wie es schien, von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren; lange, blonde, aus der Stirne gescheitelte Haare fielen wogend auf jeder Seite seiner weißen, magern Wangen herab; sein ganzes Gesicht trug das Gepräge der unseligen Traurigkeit an sich, das sich an die Stirne von denjenigen, welche jung sterben sollen, anhängt. Sein blauer Mantel, indem er ihn umhüllte, verbarg ihn nicht so gut, daß er nicht die Zeichen seines Grades, ein Paar Generalsepauletten, hätte sehen lassen; nur waren diese Epauletten von Wolle, denn die republicanischen Officiere hatten dem Convente das patriotische Opfer von allem Golde ihrer Uniformen gebracht. Er war auf einen Tisch gebeugt, eine Landkarte lag auseinander gerollt vor seinen Augen, und er bezeichnete darauf mit Bleistift, bei der Helle einer Lampe, deren Licht selbst vor dem Scheine des Brandes erdunkelte, den Weg, dem seine Soldaten zu folgen hatten. Das war der General Marceau, der drei Jahre später bei Altenkirchen getödtet werden sollte.

»Alexandre!« sagte er halb sich erhebend . . . »Alexandre, ewiger Schläfer, träumst Du von St. Domingo, daß Du so lange schläfst?«

»Was gibt es?« fragte plötzlich aufstehend derjenige, an welchen er sich wandte, und dessen Kopf beinahe die Decke der Hütte berührte, »was gibt es? rückt der Feind heran? . . .« Und diese Worte wurden mit einem leicht creolischen Accente gesprochen, wodurch sie selbst unter der Drohung Milde behielten.

»Nein, doch es ist uns ein Befehl des Obergenerals Westermann zugekommen.«

Und während sein College las, denn derjenige, welchen er angesprochen, war sein College, schaute Marceau mit der Neugierde eines Kindes die muskeligen Formen des mulattischen Hercules an, den er vor den Augen hatte.