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Der sechste Sinn

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Palle Rosenkrantz
Der sechste Sinn

Ein Stelldichein

Einen Kuß, Monny, nicht wahr?«

»Glaubst Du, das geht, Arthur?«

»Natürlich, man wird doch seinen Schatz küssen dürfen – das war stets Brauch in Dänemark, und ist's noch heutzutage.«

Und so bekam Monny Busgaard einen wohlgemeinten Kuß. Sie war 18 Jahr alt und Arthur 22, in dem Alter ist so etwas angenehm. Und in diesem Falle war es um so angenehmer, als kein Mensch etwas davon wußte. Die beiden Liebenden waren heimlich verlobt; sie war die Tochter des Gutsbesitzers Busgaard auf Braendholt im Bezirk Leire, und es war auf Braendholt in einer tiefen Fensternische der Gartenstube, wo der Kuß gegeben wurde. Er war durchs Fenster gekommen und hatte diesen etwas ungewöhnlichen Weg benutzt, weil ihm der Zugang zu Braendholt durch die Haupttür verschlossen war. Warum? Ja, Gott weiß warum. Viel Mühe und Ärger hätte er sich sparen können, wenn er den geraden Weg gegangen wäre; nun ging er den krummen, den verborgnen, aber ungeheuer romantischen.

Arthur Franck war stud. jur. Der Vater war Großkaufmann in Wein und Zigarren. Alles dies klärt auf, erklärt aber nichts und eine vernünftige Erklärung ist wohl auch kaum möglich.

Der liebt nicht, der nicht beim ersten Blick liebt. Die beiden hatten einander eines Abends auf einem Ball bei Monnys Tante Bine getroffen und sie gehörten einander fürs Leben. So meinten sie auf jeden Fall selber. Der normale Schritt wäre nun gewesen, dieses Faktum den respektiven Angehörigen und der großen Welt kund zu tun. Aber das taten sie nicht. Monny war bange vor ihrem Vater. Gutsbesitzer Busgaard haßte die Juristen, weil ein Rechtsanwalt ihn bei einem Güterhandel geprellt und ein Amtsrichter ihm nicht recht gegeben hatte, als er den Anwalt verklagte. Das war lange her, aber Busgaard war ein Mann, der an seinen Ansichten festhielt; und als Thomas, der Sohn des einzigen Bruders seiner Frau, hinging und Jurist wurde, sogar Dr. juris und Kriminalassessor, schwor Busgaard, daß Thomas seinen Fuß nie mehr in sein Haus setzen sollte. Das war schlimm, denn Thomas Klem liebte Busgaards älteste Tochter Tine und da sie ihn wiederliebte, gab das Anlaß zu sehr bewegten Szenen im Hause.

Monny begriff also sehr wohl, daß, wenn auch sie jetzt mit einem Rechtsgelehrten daherkäme, das Maß des Unglückes voll sein würde. Daher versuchte sie, Arthur von der Rechtswissenschaft abzubringen; das wäre wohl gegangen, wenn er selber das Bestimmungsrecht darüber gehabt hätte; aber er mußte seinem Vater gehorchen, und daher blieb seine Verlobung mit Monny geheim.

Das war ja auch ganz praktisch für einen jungen Mann von 22 Jahren; denn warum mit seinem Glück prunken und goldene Fesseln tragen? Das sagte Mosjö Arthur indessen nicht zu Monny, und sie fand die heimliche Verlobung furchtbar romantisch und gräßlich interessant.

Drei Vierteljahre hatte dieser kleine Roman gedauert. Die Liebenden sahen sich selten, wechselten aber zärtliche und liebevolle Briefe – per Post, aber nicht direkt. Die Post auf Braendholt war das Ereignis des Tages; sie kam angefahren und wurde in einer Tasche abgeladen, wozu der Herr des Hauses den Schlüssel hatte. Er nahm alle abgehenden Briefe in Empfang, und es wäre für Monny unmöglich gewesen, einen Brief in die Tasche hineinzuschmuggeln oder heimlich herauszunehmen. Erfinderisch wie Liebende sind, hatte sie daher ein Abkommen mit der alten Aufwartefrau des Gutes, Stine, genannt Stine Steiffinger – aus leicht begreiflichen Gründen – getroffen, und diese alte Frau besorgte nun gegen eine geringe Bezahlung Monnys Briefe zur Post und expedierte Arthurs Briefe in Monnys Hände.

Da geschah das Furchtbare, was immer geschieht in Romanen, die von schönen Mädchen mit hartherzigen Vätern handeln; und das Furchtbare kam in Gestalt eines jungen Ingenieurs, der eine elektrische Lichtanlage auf Braendholt einrichten sollte. Das Furchtbare veranlaßte Monny Botschaft an Arthur zu senden, er solle sich unverzüglich einfinden und verkleidet und unter fingiertem Namen Aufenthalt beim Waldhüter des Ortes nehmen. Und obgleich es nahe an Weihnachten und bitter kalt war, kam Jung-Arthur.