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Der Medizinmann

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Kraft
Robert Kraft: Der Medizinmann. Erz 1896

Robert Kraft

Der alte Samuel Peters in San Franzisko war ein Sonderling durch und durch, und wer mit ihm in Verkehr trat, den zog er mit hinein in sein geheimnisvolles Treiben.

Sein Vater war einer der ersten Goldgräber in Kalifornien gewesen und dabei einer der glücklichsten. Als er durch seine Hacke ein schwerreicher Mann geworden war, zog er sich aber nicht zur Ruhe zurück, sondern fing an zu spekulieren, und zwar auf eine Weise, daß man ihn für einen Narren hielt. Er kaufte sämtliche erschöpfte Goldgruben, alle Schutthaufen, natürlich für einen Spottpreis, wartete geduldig, und als sich wieder Arbeitskräfte meldeten, zeigte es sich, wie schlau er gehandelt hatte. Jetzt begann er erst die richtige Ausbeute, mittelst eines patentierten Verfahrens zog er aus jedem Kieselstein das letzte Quentchen Gold, Silber, Kupfer und Blei, er spekulierte weiter, und als er starb, gab es in ganz Amerika keine Mine, Petroleumquelle oder Eisenbahn, von der sein Sohn und einziger Erbe Samuel nicht Besitzer oder Hauptaktionär gewesen wäre.

Samuel war zum Ingenieur ausgebildet worden und hatte an den berühmtesten Hochschulen des In- und Auslandes seine Studien getrieben. Als er beim Tode des Vaters nach San Franzisko zurückkehrte, glaubte man, der noch junge Mann mit dem ungeheuren Vermögen würde sich nun in den Strudel des Lebens stürzen.

Statt dessen zog er sich in die tiefste Einsamkeit zurück. Er ließ sich in der Umgegend der Stadt ein großes Haus bauen, aus allen Weltteilen trafen Maschinen und Arbeiter ein, mit denen er sich schon früher verständigt haben mochte, und – seitdem bekam man Samuel Peters nie wieder zu sehen, ebensowenig einen seiner Leute, darunter auch Frauen.

Das Grundstück, auf dem er wirtschaftete, war und blieb der Bevölkerung von San Franzisko ein Rätsel. Das fabrikähnliche Haus besaß vornheraus keine Fenster, sie mußten nur nach dem Hofe oder nach dem ungemein großen Garten gehen, der aber von einer sehr hohen Mauer umgeben war, sodaß niemand darüber hinwegsehen konnte.

Von früh bis abends wurde in diesem Hause gepocht und gehämmert, die Schornsteine qualmten, von der Stadt führte eine eigene Eisenbahn bis vor die Thür, Eisengießereien, Stahlwerke, Glashütten und andere Fabriken bekamen große Aufträge, Fleischer und Gemüsehändler lieferten ihre besten Waren, aber hinein kam niemand.

Starb jemand oder wurde ein Kind geboren, so wurde die Behörde davon mit dem eigenen Telegraph benachrichtigt, aber kein Priester geholt, denn ein solcher befand sich selbst in der kleinen Kolonie.

So meldete Peters eines Tages auch nur kurz, daß ihm ein Sohn geboren worden wäre, welcher in der Taufe den Namen Frank erhalten hätte. Man wußte nicht einmal, daß er verheiratet war, das kam erst ans Tageslicht, als er einige Jahre später den Tod seiner Frau depeschierte.

Die Behörde ließ den alten Sonderling, dem fast ganz San Franzisko gehörte, in Ruhe, desto mehr beschäftigte sich die öffentliche Meinung mit ihm.

Die seltsamsten Gerüchte zirkulierten über ihn. Daß er als Ingenieur Erfindungen zu machen beabsichtigte, und zwar elektrotechnische, bewiesen die gelieferten Rohmaterialien. Überhaupt sollte in dem Hause alles elektrisch „zugehen“, wie die Leute sagten. Der unsichtbare Garten sollte ein wahres Paradies sein, in dem großen See sollte sich unter Wasser ein prächtiger Glaspalast befinden, durch Elektrizität getriebene Schiffe sollten darauf fahren, die nach Belieben auch in die Tiefe versanken, die seltsamsten Fuhrwerke sollten im Garten spazieren fahren u.s.w. u.s.w. Aber es blieb eben nur Vermutung, denn es kam weder jemand hinein noch heraus, nicht einmal der Geschäftsführer in der Stadt, der das große Bureau leitete und die geschäftlichen Interessen von Samuel Peters vertrat, aber auch nur brieflich oder telegraphisch mit ihm verkehrte.